Die (Gott) verlassene Kirche im Wald
Bin schon hundert mal drüber geflogen. Hab staunend, beim kreisen unter einer Wolke, aus dem Segelflugzeug nach unten geschaut, unverständlich darüber, dass es so etwas bei uns, an der jungen Donau, gibt. Eine riesige Ruine. Keine Burg. Auch keine Kapelle - es muss eine (ehemalige) Kirche gewesen sein. Also: die Umgebung merken. Dann auf Google Earth die Gegend ausbaldovert - gefunden!
Allein das Bild erweckt Mystische Gedanken. Es gibt bei uns eine große Anzahl verfallene Burgen. Dass wir eine verfallene Kirche haben, eine Kirchenruine, ist mir nicht bekannt - gewesen. Um so größer die Neugier dessen, auf das wie - warum - weshalb, und was war da mal? Was ist hier geschehen? In diesen Gedanken, und vielen Fragen, geht es nach Mühlheim an der Donau.
Neben dem "Schwedengrab" ist noch ein Parkplatz frei. Weiter darf man nicht fahren. Wenigstens nicht offiziell. Und weil Heute Sonntag ist, sind viele Leute unterwegs, und weil ich niemand ärgern möchte, parke ich halt hier😉
Schwedengrab? Guck ich später. Jetzt geht es erst mal zu Fuß ein Stück durch das Ostertal. Nahe dem Ostertalbrunnen, biegt der Weg rechtwinklig nach links ab. Ab hier geht es steil voran. Ok - für den Bus, im rutschig nassen Herbstlaub, zu steil.
Nach einer gefühlten halben Stunde, und fast einen Kilometer später - boah! - staunen ist jetzt angesagt.
Mein Weg führt mich nach rechts. Von hier: dem ehemaligen Eingangsportal, mache ich die nächste Aufnahme - ich staune noch mehr:
1639 war es, am 12. August, als der Mühlheimer Pfarrer Georg Walter, hier, auf dem Welschenberg, an einer Eiche, das erste Marienbild befestigte, und damit, wohl selbst überrascht, einen Wallfahrtsboom aus ganz Europa auslöste.
Er war es auch, der 2 Jahre später, aus eigenen Mitteln, die erste Kapelle baute. Als er 1659 stirbt, wird er hier, an seiner Kapelle, beerdigt. (Sein Grab hab ich nicht gefunden)
1660 wird eine neue, jetzt Kirche, gebaut. Gleichzeitig werden zwei Wohnhäuser gebaut. Die Mittel aus der Wallfahrt, man beachte, machen dies möglich.
Und es geht weiter. Der Ansturm der Pilger wurde immer größer. Ein Wirtshaus wird, etwas abseits, gebaut. Bis dahin gab es nur einen Schankkeller im Haus der Laienbrüder, die hier einen festen Sitz hatten.
1709 hingen auf dem Turm fünf Glocken. 1720 wird eine neue Orgel angeschafft. Die alte Orgel geht nach Sunthausen, das ist bei Bad-Dürrheim. (Ob sie noch dort ist?)
Und dann, 1760, wird eine dritte Kirche gebaut. 46 Meter lang und 17,7 Meter breit. Mit einem 40 Meter hohen Turm. (Zum Vergleich, meine Heimatkirche, die Stadtkirche in 72355 Schömberg, hat etwa gleiche Ausmaße, nur der Turm, er ist mit 56 Meter der höchste Kirchturm im Zollernalbkreis.)
Möchte man Heute eine ähnliche, noch intakte Kirche, wie die Ruinenkirche in Mühlheim sehen, so ist das in Sarnen, in der Schweiz möglich. Die dortige Barockkirche hat der gleiche Baumeister, Franz-Anton Singer gebaut.
Conrad Albert Koch, (1869 - 1945), ein mir sehr geschätzter Burgenforscher aus meinem Nachbarort Schörzingen, hat diese Rekonstruktion gezeichnet. Dass er bei seinen Rekonstruktionen sehr nahe an der Wirklichkeit liegt, haben ihm seine Kollegen aus der Heutigen Zeit schon des Öfteren bestätigt.
Und wenn man jetzt diese Zeichnung, von dem einst herrschafftlichen Anwesen, mit dem Status Quo von Heute vergleicht, so stellt sich unmittelbar die Frage: Wie kann das sein?
Nun, es war am 11. Juli 1811, als die Wallfahrten durch den König von Württemberg aufgehoben wurde. Am 8 September des gleichen Jahres um 8 Uhr fand die letzte Heilige Messe statt. Dann, 2 Jahre später, wurde die Kirche mit den Nebengebäude zum Abbruch freigegeben, und verkauft.
Dass nicht alles verschwunden ist, dass noch viele Steine hier geblieben sind, liegt wohl daran, dass es auf der Alb viele Steine gibt. Auch ist es vermutlich nicht gerade der christliche Sinn, die Steine einer Kirche zu holen. Dann schon lieber von einer verfallenen Burg.
Zwischenzeitlich hat sich ein Förderverein "Welschenberg" gegründet, welcher sich nun um den Erhalt der Geschichte, des Gemäuers kümmert. Es finden auch wieder Gottesdienste und Maiandachten statt.
Mein "Wonderfitz" folgt dem Wegzeiger zum Glitzernen Kreuz. Es steht einen guten Kilometer weiter weg von der Kirchenruine, ebenfalls auf der Hochfläche des Welschenbergs. Und es macht seinem Namen alle Ehre - weil - es glitzert.😊
Der blaue Bus ist noch da. Macht sich gut unter dem Schloss 😉
Ach ja - das Schwedengrab. Es ist gleich hinter dem blauen Bus. Drei Betonblöcke, oben mit stilisierten Figuren "Skelett, Pferdekopf und Waffen, und einer Gedenktafel welche wahrlich schauerliches erzählt:
Eigentlich wollte ich noch, auf dem Weg nach Hause, ein Vesper nebst (2) Bier im Gasthaus "Lippachmühle" einnehmen. Allein Corona hat alle Wirtschaften in ganz Deutschland verschlossen. Schade. So geht es in Gedanken an einen schönen, interessanten Tag nach Hause.
👍
AntwortenLöschenWo dich überall dein "Wonderfitz" hintreibt. Weiter so du Pfadfinder! :-)
LöschenEs ist nicht weit, Holger. Nimm dir einfach die Zeit. Du wirst bestimmt, wie ich, staunen und begeistert sein. Welch gigantische Theaterkulisse dies doch wäre? Logischerweise mit dir in der Hauptrolle!
Löschen