Manch Kreuz am Wegesrande.....(Anton Riediger)
Hunderte Male bin ich diesen Feldweg schon gefahren; Den Weg durchs "Engelesdäle", wie wir Flieger dieses Tal, von Böttingen kommend, zu unserem Flugplatz "Klippeneck" nennen. Eigentlich unbedeutend, wäre da nicht dieses Kreuz. Schmiedeeisern, auf einem Naturstein stehend:
Bis jetzt war es für mich einfach nur da. Das Kreuz, dessen Geschichte ich kenne, von meinem Vater einst geschmiedet. Von mir vor vielen Jahren renoviert. Es wird meist übersehen. Steht es doch versteckt einige Meter zurückgesetzt von dem Weg, den viele Wanderer gehen, und es nicht bemerken. Es ist Anton Riediger gewidmet.
Dann, der Zeitungsartikel, im Januar dieses Jahres, welcher meine Neugier weckte: Vor 70 Jahren, am 19 Januar 1930, landet Anton Riediger mit seinem Flieger im Schnee auf dem Feldberg. An seinen Rädern hat er zusätzlich Skier befestigt.
Doch wie kann das sein?
Rückblick:
Faszination Skifliegen: In einer "Terra X" Dokumentation wurde vor längerer Zeit bereits, von einem fast unglaublichen Flugunfall einer amerikanischen DC3 in den Schweizer Alpen berichtet. Ich fand den Vortrag mehr als spannend, weil ich Jahre zuvor mit unserem Verein einen Ausflug ins Fliegermuseum nach Dübendorf in der Schweiz machte, und genau diese Schilderung von einem etwas älteren Museumsführer erfahren habe. Und voller Stolz hat er darauf hingewiesen, dass die Schweizer Luftwaffe damals mit zwei Flugzeugen vom Typ "Fiseler Storch" die Überlebenden gerettet hat. Es waren die ersten Landungen auf Schnee. 1946.
Und jetzt? - Denk die Geschichte muss neu geschrieben werden. Es waren nicht die Schweizer. Mit Nichten. Es war kein minderer als Anton Riediger, ein Urgestein aus dem Verein der Balinger Segelflieger aus dem Zollernalb Kreis, welcher 16 Jahre vorher mit Skier auf Schnee gelandet ist. Das Bild belegt dies.
Für mich als Flieger, ist diese Aktion von damals, unvorstellbar. Um so mehr steigt das Interesse an dem Gewesenen. An dem, wie dies wohl alles abgelaufen ist, damit es zu dem Flug gekommen ist?
Der Flug
Er dauerte etwa 1 Stunde: Am Sonntag, 19.Januar 1930 spielte das Wetter mit. Und so startete Anton Riediger um 12:18 Uhr mit seiner dreisitzigen Klemm in Ebingen (er hatte am östlichen Ende Richtung Straßberg einen eigenen Flugplatz) mit Kurs Feldberg. Mit an Bord war sein Bruder und der damals bekannte Alpinist Emil Blickle. Das Flugzeug war für acht Stunden betankt, und das Abfluggewicht betrug 640 Kilogramm. Allein diese Werte lassen ein jedes Fliegerherz höher schlagen. 3 Leute im "Winterhäs" (3x80 kg) so bleiben noch 400 kg übrig. Dann noch Sprit für 8 Stunden (8 x 20 Liter), bleibt ein Leergewicht von weit unter 300 kg, was dem eines heutigen Ultraleichts ist, welches jedoch nur mit 2 Personen beladen werden kann, und nur die Hälfte an Sprit bei sich hat.
Nach 120 Meter hob die Maschine vom Boden ab. Gleichmäßiger Auftriebswind ließ die Klemm schnell auf Höhe der umgebenen Albberge steigen, schilderte Riediger damals der Badischen Presse den Anfang seines Pionierflugs. Mit Kurs Südwest ging es direkt Richtung Feldberg.
Bei bester Fernsicht war die weiße Kuppe des Feldbergs bereits zu erkennen, während die "anderen Schwarzwaldberge scharf umrissen und Schneefrei waren", schilderte Emil Blickle damals den Anflug.
Und man spürt an Schilderungen, dass das Besondere an dem Flug jedem einzelnen im Flugzeug Bewusst war. Zumal auf dem Feldberg kein Flugplatz abgesperrt war, und bis zum heutigen Tage keiner ist.
Doch vor dem Flug kam die Überlegung, wie Starte ich auf Gras, und lande auf Schnee?
Riediger hat dies gelöst. Hat sich Skier an sein Flugzeug gebaut, die beides können.
Ich kann mir gar nicht so recht vorstellen, wie Riediger da einfach hingeflogen ist, wohlgemerkt mit zwei Passgieren, und nach dreimaligem umkreisen des Feldberges sich eine Landepiste ausgeguckt hat. Abenteuer pur.
Man beachte: dass früher - wie heute auch - Stimmen des Aufbrausens waren. Die Leute haben nicht nur alle geklatscht, sie haben teilweise auch gescholten. Sie vermuteten, dass jetzt von überall her die Flugzeuge kamen, und auf dem Feldberg landen würden, um einen Tag mit Ski zu verbringen. Abends dann zurück zum Heimatflugplatz.
Und insgeheim hat Riediger das genau so gedacht. Schließlich hat er ja mit dem fliegen sein Geld verdient.
Mit gedrosselter Motorleistung ging es in den Sinkflug. Der erste Versuch zu landen misslang, denn ein plötzlicher Aufwind verhinderte das aufsetzen der Maschine nur wenige Meter über dem Schnee. So geht es über den Hang hinweg wieder hinaus über Schluchten und Täler, beschreibt Passagier Blickle den ersten Landeversuch. Der zweite Versuch gelingt, die Kufen setzen auf und die Maschine "kommt nur 4 Meter vom ersten Schneeberührungspunkt zum Stehen", schilderte Riediger stolz.
Eine, wie ich finde, Pioniertat, die seinesgleichen sucht. Würde ich es ihm nachmachen wollen, ich hätte vor lauter Leute da oben gar keinen Platz zu landen. Eingesperrt würde ich sowieso werden. Und ob sich überhaupt jemand freuen würde wenn ich wieder starte, so wie Passagier Emil Blickle das damals, nach einem zweistündigen Aufenthalt auf dem Feldberggipfel, beschrieben hat:
"Winkend verabschiedeten sich Pilot und Passagiere
von den begeisterten Skimannen und Skimägdelein"
In fliegerischer Hinsicht war die Aufgabe zu starten diesmal noch anspruchsvoller als bei der Landung, weil die Startbahn nicht allzu lang war, und die Räder und etliche Schneewechten den Schwung der Klemm stark abbremsten. Erst nach 180 Meter, kurz bevor es steil nach unten ging, hob sie ab, und unmittelbar darauf musste Anton Riediger auch schon eine Linkskurve fliegen und beinahe über den Flügel abkippen, um eine Kollision mit der nächsten Erhebung zu vermeiden. Es folgten noch zwei Ehrenrunden um den Feldbergturm und ein ereignisarmer Rückflug, der eine Stunde und drei Minuten dauerte. Noch vor Anbruch der Dunkelheit waren die drei Flugpioniere wieder wohlbehalten in Ebingen.
Zum oberen Bild: Damals stand auf dem Feldberggipfel noch das Turmgasthaus. Es hatte 28 Zimmer und 46 Gästebetten. Es galt als das höchstgelegene ganzjährig betriebene Hotel Deutschlands.
Der Ausflug zum Feldberg war ein Testflug gewesen – Erich Blickle plante, das Fahrwerk mit den Kufen in den Hohen Tauern in Österreich einzusetzen – es kam nicht dazu, und auch die Pläne Anton Riedigers, künftig passionierten Skifahrern in schneearmen Zeiten den Flugtransport in den Schwarzwald anzubieten – sozusagen ein Helikopterskiing auf Schwäbisch – , ließen sich nicht verwirklichen. Anton Riediger kam im Oktober 1959, noch keine 60 Jahre alt, bei einem Flugzeugabsturz auf dem Klippeneck ums Leben. Sein fliegerischer Ruhm als Gipfelstürmer auf Flugzeugkufen lebt jedoch fort.
Wer war nun Anton Riediger:
Flugpionier Anton Riediger kam 1899 in Sofia auf die Welt. Als 15-Jähriger, nach dem Tod seines Vaters zog er mit der Mutter und den Geschwistern in ihre Heimatstadt nach Ebingen. Von Jugend auf faszinierte ihn die Fliegerei und im letzten Kriegsjahr 1917 kam er als Aufklärungsflieger in Italien zum Einsatz.
Der Versailler Vertrag verbot nach dem Krieg zunächst Motorflüge in Deutschland. So wandte sich Riediger der Segelfliegerei zu, bevor er 1926 seine erste Klemm kaufte, und den Ebinger Flugplatz aufbaute, so erzählte es mir sein Sohn Heinz, welcher Heute weit über 90 Jahre zählt, und zu welchem ich immer noch Kontakt habe.
Der ersten Klemm folgten zwei weitere Flugzeuge, die leistungsstärker waren und mit einer davon landete er auf dem Feldberg.
Bei Flugwettbewerben machte sich Anton Riediger einen Namen. Der Schweizer Konstrukteur Alexander Soldenhoff, der mit Nur-Flügel-Flugzeugen experimentierte, stellte ihn als Einflieger ein. Mit der Machtübernahme der Nazis war der Aufbau einer militärischen Luftfahrt ein Schwerpunkt. So wurde Riediger 1934 Fluglehrer in Böblingen und 1936 Leiter der Flugschule in Freiburg, bevor er 1938 in die Flugzeugführerschule nach Roth versetzt worden ist. Fortan war er Flugkapitän. Während des zweiten Weltkriegs kam Riediger zum Versuchs- und Abnahmekommando des Reichsluftfahrtministeriums. Bis zum Kriegsende flog Riediger, laut seinen Flugbüchern, alle von der Luftwaffe eingesetzten Flugzeuge. Von der Ju 52 (Tante Ju) über die Jagdflugzeuge Me 109, Fw 190, den "Fieseler Storch" bis zum ersten in Serie gebauten Düsenkampfflugzeug, Me 262.
Nach dem Krieg baute sich der leidenschaftliche Flieger in Ebingen wieder eine Fahrschule auf. (Flugschulen waren bis 1952 verboten) Die Segelfliegerei war 1952 wieder möglich und den Motorschein erwarb er 1952 in der Schweiz neu. Als 1955 der Motorflug wieder erlaubt war, erhielt Riediger den Luftfahrerschein Nummer 2 und leitete den ersten Nachkriegslehrgang für Fluglehrer und Sachverständige in Echterdingen. Bei einem Flugzeugabsturz 1959 beim Klippeneck endete das Leben des begeisterten Fliegers.
Das Ende:
Und jetzt kommen wir zurück zum Gedenkstein im "Engelesdäle". 1959 flogen die Balinger Segelflieger zwar bereits auf dem Klippeneck, jedoch war ein Flugtag geplant am alten Flugplatz "Hangen". Das ist das Gebiet wenn man die Straße von Balingen nach Heselwangen fährt, auf der rechten Seite. Am Samstag, also am Tag vor dem Flugtag, sollte unsere Weihe noch rüber gezogen werden. Pilot war Rudolf Schöllmann. Geschleppt von Anton Riediger, weil damals gab es keine Motorflugzeuge auf dem Klippeneck. Mein Vater, der damals beim Start dabei war, und die Fläche des Segelflugzeuges am Start gehalten hat, erzählte später: Nach einer Linkskurve vom Start 23 ging der Schleppzug in den Gegenanflug Richtung Balingen. Vermutlich hatte Riediger einen Herzinfarkt. Jedenfalls stürzte seine Maschine senkrecht in den Boden. Genau in den Steinbruch hinter der Gedenkstelle. Der Segelflieger hat das Seil ausgeklinkt, ist auf dem Klippeneck gelandet. Mein Vater, der als erster an der Unfallstelle war, konnte nur noch zuschauen, wie Anton Riediger in seinem Flugzeug saß und verbrannte.
Zusatz: Als kleiner Bub durfte ich mal mit Anton Riediger vom Klippeneck zum tanken nach Schwenningen mitfliegen. Mein erster Motorflug. Stolz heute noch dessen, ihn gekannt zu haben.
Wieder mal ein sehr interessanter und lesenswerter Bericht von Dir.
AntwortenLöschenLieber Helmut, das ist ein sehr gut recherchierter Bericht über eine fliegerische Meisterleistung. Chapeau und weiter so!
AntwortenLöschenDanke Helmut, das ist ein sehr interessanter guter Bericht, gut geschrieben.
AntwortenLöschenJetzt bin ich sehr froh, auf deinem Blog gekommen zu sein, Helmut. Vielen Dank für deine Recherchen und deine Schilderungen der fliegerischen und persönlichen Hintergründe. Oft sind hier die Wurzeln der eigenen Begeisterung zu finden!
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