Pässetour 2/2020 Klausenpass - Pragelpass
Traumhaft der Sommer 2020. Traumhaft auch das Wetter. Passend für eine Fahrt ins Gebirge. Für eine weitere Passtour 2020 Im Sonnenaufgang ging es auf der A81 Richtung Süden. Die Grenze über die Schweiz war rasch überquert; Fast schon, wie wenn sie zu Europa gehören würde. Was wohl nie und nimmer der Fall sein wird. Ein stopp war nicht nötig. Zum einen habe ich bereits gestern, wegen der hohen Spritpreise in der Schweiz, den Tank des blauen Busses Randvoll mit Diesel gefüllt; Zum andern ist meine Autobahnvignette für dieses Land an meiner Frontscheiben noch gültig. War dieses Jahr schon mal auf Passtour in der Schweiz. Über Schaffhausen, mehr durch Schaffhausen durch, geht meine Fahrt, nördlich um Zürich, zum Vierwaldstätter See. Entlang am Ostufer, durch die vielen Tunnels, erblicke ich immer wieder den See, dessen Wasser in der Morgensonne glitzert, als hätte jemand Perlen ausgestreut. Der Verkehr ist enorm. Und es ist fast erholsam, als ich von der Hauptroute abbiege, den Weg hinauf in das kleine Ort "Bürglen" nehme, meinem ersten Halt auf dieser Reise.
Noch ein paar kleine Kehren, und ich erreichte die eigentliche Passhöhe. Auch hier ist kein Parkplatz für den blauen Bus. 300 Meter weiter ist ein weiterer Parkplatz. Ist alles frei.
Pragelpass: Die Infos aus dem "Denzel": Die Passhöhe beträgt 1550 Meter. Die maximale Steigungshöhe beträgt 18 %. Der Schwierigkeitsgrad beträgt SG 3. Die Geschichte sagt, dass diese Straße zwischen 1940 und 1975 gebaut wurde. Mein Weg führt von Ost nach West. Die Straße ist schmal. Je weiter man nach oben kommt, desto schmaler und steiler. Mit wenigen Ausweichstellen, und unübersichtlichen Kurven.
Ab und zu ist die Welt noch in Ordnung, war mein erster Gedanke, als ich die Klinke an der Eingangstüre nach unten drückte, und sich diese öffnete. Eine große Holzfigur an der Wand sagt dass der Heilige Sankt Wendelin hier zuständig ist. Die Kapelle ist aus dem Jahr 1969. Für eine Passkapelle sehr jung. Aber den Pass gibt es eben noch nicht lange. Ein Grund ist die Grenze hier oben zu zwei Kantonen, welche in ihrer Prägung nicht unterschiedlicher nicht sein können. Auf der einen Seite der als eher selbst- und heimatbezogenen bekannte Kanton Schwyz, auf der anderen Seite die weltoffenen Glarner. Dies ist auch wohl einer der Gründe, warum die Pragelpassstraße, trotz größer strategischer Bedeutung nie wirklich ausgebaut wurde.
Auf den Spuren von Wilhelm Tell. Hier, im Ort Bürglen, ist sein Geist spürbar. Fast meint man, er kommt gleich ums Eck. Ein Museum gibt Zeugnis dessen, wie er gelebt hat - ob er gelebt hat 😉
Wilhelm Tell, das ist
die Geschichte einer
Auflehnung, die über
einen Tyrannenmord
zur Freiheit führt.
Es ist dies weltweit das einzige Wilhelm Tell Museum. Ich trete ein. Bezahle 8 Franken. Bin begeistert. Die nette Dame an der Kasse erklärt mir den Ablauf des Museums, und drückt mir noch einen Führer in die Hand. Wenn ich möchte, kann ich ihn nachher kaufen; Ansonsten soll ich ihn nach meinem Museumsbesuch einfach zurück geben. Es beginnt ganz oben im Turm. In einem Film wird hier eindrucksvoll die Geschichte, das Leben von Wilhelm Tell erzählt. Das für und wider. Das Warum? Und wofür? Auch, was Friedrich Schiller damit zu tun hat. Zeitgenössische Dokumente im nächsten Stock geben viel Raum zu eigenen Spekulationen. Auch zu seinem Verhalten. Und ob man sich so Heute auch noch verhalten darf - soll - oder gar muss?! Den Führer kaufe ich. Gehe durch den ortsbildgeschützten Dorfkern von Bürglen, welcher allein es wert ist, hier eine Zeit zu verweilen. Mein Weg führt mich zur Tellskapelle, etwas Unterhalb des Ortskerns.
Die Kapelle wurde 1582 von zwei Reichen Bürgern aus Bürglen gestiftet. Sie steht quasi am Anfang des Klausenpasses, jener Passstraße, welche ich anschließend befahren werde. Solche, sogenannten Wegkapellen, waren wichtig für ein Gebet zum Gelingen eine nicht ungefährlichen Reise über einen Berg.
Nach dem Besuch des "Kirchhofes" und der darin erhalten Kirche von Bürglen, geht meine Fahrt weiter den Pass hinauf.
Klausenpass: Die Infos dafür hole ich mir vorab immer aus dem "Denzel", einem Bordbuch für Alpenfahrer. Die Passhöhe beträgt 1948 Meter. Die maximale Steigungshöhe beträgt 9 %. Der Schwierigkeitsgrad beträgt SG 2. Die Geschichte sagt, dass es diese Straße seit 1899 gibt. Mein Weg führt von West nach Ost. Die Straße gefällt. Zumal weiter oben, nach dem Ort Unterschächen, die Passstraße in die Felswand gehauen ist. Ich halte öfter. Berge mit über 3000 Meter geben dem Panorama eine Fülle der Macht. Der Ausblick ist einfach zu schön. Plätze zum Halten gibt es genügend. Am Hotel "Klausen-Passhöhe" in 1840 Meter Höhe, bekomme ich keinen Parkplatz. Halte etwas ungeschickt, in zweiter Reihe, mache ein paar Aufnahmen, und fahre weiter.
Auffallend immer wieder, die Motorräder nehmen auf den Parkplätzen mehr Platz ein wie die Autos.😏. Egal; sie stören nicht. Was oft störend ist, sind die vielen Fahrradfahrer. Bergauf wie Bergab sind sie ein oft gefährliches Hindernis. Sie haben ein anderes Fahrverhalten und andere Geschwindigkeiten als die Motorgetriebenen Fahrzeuge. Egal - wir passen aufeinander auf.
Wollte ich hier einkehren, ich hätte keinen Platz auf der Terrasse des Gasthauses. Unerwartet ist die Kapelle geöffnet. War bei der letzten Passfahrt im Frühjahr nicht immer der Fall. Corona ist auch auf den Bergen oben. Die Kapelle steht etwas Oberhalb der Straße, und bietet einen schönen Ausblick auf das hektische Geschehen der Straße unten. Zudem bin ich hier ganz allein. Traumhaft.
Die Kapelle gefällt mir gut. Passt sie doch in der Architektur schön zu ihrer Umgebung. Geweiht dem Bruder Klaus, dem Namensgeber vom Pass. Die Architektur ist Zeitlos. Über der Eingangstüre steht:
Die Werke
des Herrn
sind Gross,
zum Staunen
- für Alle
Psalm 111,2
Ich betrete einen schönen sakralen Raum, mit frischen Blumen vor dem Altar. Passend auch die Fenster der Kirche. Ich halte inne. Selbst nach einer viertel Stunde war ich noch alleine. Ich gehe zurück. Entdecke weiter unten ein Relikt aus der Zeit großer Bergrennen. Es ist das Zielhaus von 1932, und steht unter Denkmalschutz. Eine Tafel informiert mich über das historische Bauwerk, welches bei den internationalen Rennen als Unterstand für Funktionäre, Ärzte, Specker und Zeitmesser diente. Außer mir interessiert sich keiner der vielen Menschen hier oben für dieses Juwel. Schade nur, dass es geschlossen ist. Im inneren ist eine Ausstellung unter gebracht.
In mein Tagebuch trage ich ein: 26. August 2020 - 12:20 Uhr. Dann geht es wieder Talwärts. Die Fahrbahn ist in gutem Zustand, und ausreichend breit. Lass mir Zeit. Muss mir Zeit lassen; Die Fahrradfahrer bestimmen die Geschwindigkeit. Kurz vor Linthal halte ich am Gasthaus "Bergli". Von hier sind es 5 Minuten Fußmarsch zum Wasserfall ""Berglistüber". Ein imposanter Wasserfall, der jede Zeit des Haltens lohnt. Handelt e sich doch um einen der schönsten Wasserfälle in der Schweiz.
Ein Wasserfall, welcher auch von seiner Rückseite trockenen Fußes umgangen werden kann. Ich bin beeindruckt. Das tosen unterstreicht die Gewalt. Ein Naturspektakel, das seines gleichen sucht.
Für einen Kaffee führt mich mein Weg zum Flugplatz Mollis. Auf der dortigen Terrasse gibt es jedoch nicht viel zu sehen. Ein Hubschrauber der landet; Ein Motorsegler der Platzrunden fliegt.
Es ist schon 17:00 Uhr. Trotzdem entscheide ich mich, noch einen weiteren Pass auf meiner Liste zu fahren. Zum einen, weil es noch 5 Stunden hell ist, zum andern sind am späten Abend (das trifft auch auf den frühen morgen zu) die Passstraßen mit weniger Verkehr belastet sind, als Tagsüber.
Mein erster Halt, der Klöntalersee. Ein Natursee in einem Hochtal, welcher zusätzlich zu einem Stausee "aufgeschüttet" wurde. 5 Kilometer fahre ich an ihm entlang, bevor ich, nach dem Ort "Vorauen" in den Wald nach oben einfahre. Und richtig, ich bin so gut wie alleine auf der Straße. Der Pass ist am Wochenende gesperrt, was bei der schmalen Straße auch Sinn macht. Spektakulär ist die Straße nicht, aber Anspruchsvoll. Und dann, um ^8:30 Uhr, erreiche ich den Scheitelpunkt. Besser gesagt den Scheitelbereich. Es ist ein langgezogenes Hochtal.
Vom Klöntal, wo ich herauf gekommen bin, geht es nun hinunter ins Muotal. Fast Schritttempo fährt man hier. Dies, weil die engen Kurven restlos uneinsichtig sind. Und es sind deren Kurven viele.
Angekommen im Tal fahre ich durch Ortschaften auf der Suche nach einem Schlafplatz. Ist in der Schweiz nicht so einfach, weil nirgends geparkt werden darf, wo dies nicht ausdrücklich erlaubt ist. (Ist bei uns in Deutschland gerade umgekehrt. Hier darf überall geparkt werden, wo dies nicht ausdrücklich verboten ist)
Und so entscheide ich mich, für einen bezahlten Parkplatz an meiner letzten geplanten Station dieser Reise: dem Kloster Einsiedeln. Wo ich die Nacht verbrachte.
Auf dieses Bild bin ich besonders Stolz. Es sind keine Leute drauf. Es entstand morgens um 06:00 Uhr. Der Ort ist normalerweise ständig mit Besuchern belagert. Aber zu manchen Uhrzeiten gehört die Welt den Seinen. 😊
Ich war schon mal hier. Viele Jahre ist das her. Die Schmiedearbeiten im Kloster haben mich nie losgelassen. Jetzt bin ich gekommen, um sie in Ruhe zu bestaunen, zu fotografieren. Wegen Corona gibt es keine Führungen. Viele Fragen sind in mir. Muss diese leider verschieben.
Jedenfalls ist der Klosterbau einer der spektakulärsten Barockbauten nördlich der Alpen. Die geballte Pracht aus Barock, Rokoko und Klassizismus in dem einzigartigen Gotteshaus zieht selbst den größten Ästhetikmuffel schlagartig in seinen Bann. Und wenn man irgendwann glaubt, es gebe an dem Überfluss all dieser optischen Reize keine Steigerung mehr, so steht man bald vor dem großen Chorgitter, und muss sich bei seinem Anblick erst mal staunend zurecht finden. Es ist ein Meisterstück des Schmiedehandwerks, entstanden von 1675 bis 1685.
Das filigran verarbeitete Gitter umfasst drei Portale, mittig ein großes, flankiert von je einem kleineren. Diese Portale sind perspektivisch, heißt die Verstrebungen und Felder verlaufen verjüngend, so dass eine beeindruckende Tiefenwirkung entsteht, und dem Betrachter den gesamten Kirchenbau länger erscheinen lässt, als er ohnehin schon ist. Ein typisches Stilmerkmal der Barockarchitektur.
Dieses Paradestück der Schmiedekunst ist das Werk von "Bruder Vinzenz", dessen Biografie ist, überspitzt ausgedrückt, fast noch spektakulärer als das Einsiedler Chorgitter. Zumindest erweckt der entsprechende Eintrag im Einsiedler Professbuch diesen Eindruck. Zuweilen kann man sich eines Schmunzelns nicht erwehren beim bildlichen Nachvollzug von Bruder Vinzenz fragwürdiger Klosterkarriere, welche von Widerspenstigkeit, Flucht, Ungehorsam und sogar Betrug gesäumt ist.
Geboren wurde Vinzenz Nussbaumer am 3 Februar 1644. Er erlernte den Beruf des Kunstschlossers, und trat darauf als Laienbruder in das Kloster Einsiedeln ein. 1669 legte er da sein Ordensgelübde ab. Als Schmied zeichnete Bruder Vinzenz für diverse Kunstwerke im und ums Kloster verantwortlich, unter anderem für den Strahlenkranz der Muttergottes auf dem Marienbrunnen. Das einzigartige Chorgitter war jedoch sein Hauptwerk. Es entstand durch seine Hand in der klostereigenen Werkstatt in zehnjähriger Arbeit.
Bruder Vinzenz war gesundheitlich angeschlagen. War mehrfach in Kur in Bad Pfäfers und anderen Orten. Auch hatte er ein Bruchleiden. Ausgelöst durch Glockenhängungen, zu welchen er auch in anderen Kirchen geholt wurde.
Offenbar wurde er gemobbt - ob von seinen Mitbrüdern, oder der Obrigkeit ist unklar. Jedenfalls weigerte er sich nach einer Kur ins Kloster zurück zu gehen. Wurde dann doch überredet - floh erneut aus dem Kloster. So ging das ein paar mal hin und her. Als Strafe bekam er 10 Tage Exerzitien, floh erneut. Wurde eingesperrt, durfte dann nicht mehr schmieden. Darauf zog er seine Kutte aus, bettelte, mit dem Ziel nach Ungarn zu gehen, Geld zusammen, und gelangte erst mal nach Wien. Bei einer Glockenhängung wurde er von Landsleuten erkannt, floh erneut. Fand Unterschlupf bei einem Schlosser. War aber nicht mehr arbeitsfähig. Um der Arbeitslosigkeit und dem damit verbundenen persönlichen Untergang zu entgehen, gab er sich als Augenarzt aus. Das ging aber nicht lange gut. Bald flog er auf und wurde als Betrüger angeklagt und bestraft.
Vinzenz floh erneut. Diesmal nach Ungarn, wo er im März 1697 starb. Somit nahm die bewegte Lebensgeschichte von (Bruder) Vinzenz ein eher unrühmliches Ende, fern der Heimat. Allein das prächtige Chorgitter in der Klosterkirche Einsiedeln bleibt der Nachwelt als stummes Erinnerungsstück an Bruder Vinzenz erhalten.
In diesen Gedanken, in Träumen, mit super schönen Bildern im Kopf, und in Gedanken an Bruder Vinzenz, bin ich den Heimweg angetreten. Drei Stunden später, 14:00 Uhr, war ich wieder zu Hause.
Jürgen Riedlinger Wow Super geschrieben. War bestimmt eine tolle Tour. Macht richtig Lust auf Urlaub.
AntwortenLöschenSolltest du die Tour, oder ein Teil nachfahren wollen, gebe dir gerne weiter Tipps. Wichtig bei einer Pässetour ist jedoch ein gutes Wetter.
LöschenEine Reisebeschreibung die Lust macht selbst die Pässe zu bereisen. Eindrucksvolle Bilder und Phantasie anregende Worte. Vielen Dank Herr Friedrich für diesen Blog. Gerne mehr davon.
AntwortenLöschenHerzliche Grüße Holger Kugele
Du hast es erkannt - Holger - unsere Phantasie gibt einer gut vorbereiteten Reise oft eine zusätzliche Würze. In Wirklichkeit meist nicht Übertreffbar.
AntwortenLöschenAlle Achtung Helmut für den Tribut an meiner Heimat. Ja ich weiss, unser Land hat viele schöne Ecken. Ein Leben ist zu kurz um sie alle zu besuchen. Gruss aus dem Rheintal. Nimm Dir einmal Zeit und ich zeig Dir hier auch ein paar schöne und interessante Ecken.
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